Für oder gegen das neue Buch von Precht und Welzer
Dass über Bücher gestritten wurde, bevor sie auf dem Markt kamen bzw. von ausreichend vielen Menschen gelesen wurden, ist nicht neu. Da lässt sich u.a. auf Luther´s Bibel-Übersetzung verweisen, vor deren Veröffentlichung der Autor bereits in Acht und Bann geschlagen wurde. Oder denken wir an das Kommunistische Manifest, in dessen Einleitung Marx und Engels darauf hinwiesen, dass ein Gespenst in Europa herum ginge, nämlich das Kommunismus.
Gehen wir es eine Ebene bescheidener an. Zum Beispiel Sahra Wagenknecht´s Buch "Die Selbstgerechten. Mein Gegenprogramm - für Gemeinsinn und Zusammenhalt" wurde bereits von Kritikern sprichwörtlich zerrissen, bevor es 2021 in den Buchhandlungen lag bzw. im Netz erreichbar war. Ich traf im Nachhinein kaum jemanden von den Ablehnenden, die es überhaupt gelesen hatten.
So ähnlich verhält es sich jetzt wohl auch mit dem neuen Buch von Richard David Precht und Harald Welzer "Die vierte Gewalt. Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn sie keine ist." Es ist seit Dienstag käuflich zu erwerben. Und seitdem schwarte ich mich hindurch, vor allem um die Passagen zu finden, die die schlimme Gefahr der Streitschrift ausmachen, auf die in Presse und Talkshows seit Wochen verwiesen wird. Ich entdecke sie nicht. Aber vielleicht bin ich auch noch nicht weit genug vorgedrungen (Seite 47 von 288).
Polemik allgemein täte ja eigentlich ganz gut. Ich halte den Begriff durchaus nicht für nur pejorativ (negativ belegt). Er kommt aus dem Griechischen und bedeute einst so viel wie Streitkunst. Kurzum: es wäre schön, wenn sich jemand finden würde, den im Vorwärtslesen mit mir über dieses Buch streiten würde. Auch wenn es in meiner LINKEN ein wenig abhanden gekommen ist, progressiv zu streiten. Und das wäre dann mehr und anspruchsvoller, als nur fragwürdige Witzchen über Facebook auszutauschen.