Bei einem Kongress am Wochenende in Frankfurt versucht sich ein Teil der Linken neu zu ordnen – und auch irgendwie neu zu erfinden
Eine Analyse von Baha Kirlidokme
Frankfurter Rundschau
Deutschlandausgabe 05.12.2023
"Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) polarisiert. Sind seine Anhänger:innen allesamt reaktionäre Verschwörungsgläubige, wie das unterschiedliche Stimmen von linksliberal bis rechtskonservativ ihnen vorwerfen? Oder sind sie vielleicht doch eher die letzten aufrichtigen Linken in Deutschland, die noch humanistische Werte vertreten?
In Frankfurt konnte man am vergangenen Wochenende einen Eindruck von den zukünftigen Mitgliedern erhalten. Auf dem zweiten „Was tun?!“-Kongress im Gewerkschaftshaus fanden sich mehr als 200 Gäste ein, um über die Zukunft des BSW zu diskutieren. Dabei waren auch die Bundestagsabgeordneten Klaus Ernst und Andrej Hunko, beide vor einem Monat von der Linkspartei zum BSW gewechselt.
Das „Was tun?!“-Netzwerk, bestehend aus verschiedenen Gruppen der Linkspartei, setzt sich zusammen aus linken Mitgliedern – und auch Nichtmitgliedern, die vor allem den außenpolitischen Kurs der Partei als zu kompromissbereit bezeichnen. Man kann das plakativ formulieren als: Linke in der Linken gegen die Linke. Der Name ist wohl eine Anlehnung an das gleichnamige Lenin-Werk. Zu den Organisierten gehören auch Mitglieder des Brandenburger Karl-Liebknecht-Kreises, unter denen vor kurzem erst rund die Hälfte aus der Linkspartei ausgetreten ist, oder auch Mitglieder der weitgehend vergessenen kurzlebigen Wagenknecht-Bewegung „Aufstehen“.
Zwar wollen viele Mitglieder, dass „Was tun?!“ als Brücke zwischen BSW und Linkspartei fungiert. Auf dem Kongress allerdings wirkte es so, als hätte eine Mehrheit längst ihre neue politische Heimat bei Wagenknecht & Co. gefunden. Was alle jedoch gemein haben: Sie sind geeint im Ärger über die
Linkspartei..."
Zwar wollen viele Mitglieder, dass „Was tun?!“ als Brücke zwischen BSW und Linkspartei fungiert. Auf dem Kongress allerdings wirkte es so, als hätte eine Mehrheit längst ihre neue politische Heimat bei Wagenknecht & Co. gefunden. Was alle jedoch gemein haben: Sie sind geeint im Ärger über die
Linkspartei..."
"Der Weg der Partei
Knapp eine Stundedauert am 23. Oktober die Bundespressekonferenz, auf der Sahra Wagenknecht nicht nur ihren Austritt aus der Linkspartei bekanntgibt, sondern auch die Gründung ihres Vereins „Bündnis Sahra Wagenknecht“. Rechts von ihr sitzen noch vier Personen am Tisch: Die Bundestagsabgeordnete Amira Mohamed Ali, der Bundestagsabgeordnete Christian Leye, der Millionär Ralph Suikat und der ehemalige Geschäftsführer der Linkspartei aus NRW, Lukas Schön.
Ein bisher einzigartiger Vorgang: Am 6. Dezember soll sich die Bundestagsfraktion der Linkspartei auflösen. Die verbliebenen 28 Mitglieder wollen eine „parlamentarische Gruppe“ bilden. Der Bundestag muss die Formalitäten dazu noch beschließen. Dazu gehört auch, welche Rechte eine solche parlamentarische Gruppe erhält. Die zehn BSW-Gefolgsleute wollen am 12. Dezember ihre Gruppegründen.
Am 27. Januar soll der Gründungsparteitag der neuen Wagenknecht-Partei mit rund 400 Teilnehmenden stattfinden. Wer alles dazu gehört, ist noch nicht klar. Bekannt sind aber zahlreiche BSW-Sympathisant:innen, die nach und nach die Linkspartei verlassen.
2024 und 2025 will die zukünftige Partei bei den Landtagswahlen, der EU-und der Bundestagswahl antreten." kbi
Quelle: Rosa-Luxemburg-Stiftung. Presseschau DIE LINKE, 05.12.2023
Anmerkung: Bisher sind nicht mehr als Vermutungen und Andeutungen über die Personalia der neuen Partei bekannt, noch liegt ein Programm-Dokument für die offizielle Diskussion vor.
G. Dietmar Rode, Blogger