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Erklärungen im Stadtrat Meißen am 08. Juli 2015
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,
die nachfolgende Stellungnahme erfolgt im Namen aller Fraktionen des Stadtrates zu Meißen. Unsere Fraktionen sind in großer Sorge um das politische Klima und den inneren Frieden in unserer Stadt Meißen.
Seit einigen Monaten werden wir jetzt auch in Meißen damit konfrontiert, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, in Frieden, Wohlstand und Demokratie zu leben.
Mit der damals völlig überraschenden Entscheidung des Freistaates Sachsen in der Turnhalle der Fachhochschule der Sächsischen Verwaltung eine Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber und Flüchtlinge einzurichten, wurden neben den Verwaltungen vor allem auch die Menschen in Meißen von heute auf morgen mit der harten Realität in vielen Teilen der Erde konfrontiert.
Angst machte sich breit, Angst vor neuen Herausforderungen und die Unsicherheit, wie mit den Menschen umzugehen ist. Aber auch Angst, soziale Besitzstände teilen zu müssen.
Wie in anderen Städten auch, gab und gibt es Unterstützer für die Flüchtlinge aber auch den Hinweis darauf, dass nur diejenigen willkommen seien, die wirklich vor Krieg und Terror geflüchtet sind. Eine grundlegende Ablehnung von Ausländern war nicht festzustellen.
Das Provisorium der Erstaufnahmeeinrichtung in der Sporthalle wurde geschlossen und dann wieder geöffnet. Der Zustrom der Menschen aus vielen Ländern war und ist groß. Die Menschen müssen untergebracht werden.
Das Provisorium in der Turnhalle wurde dann ersetzt durch die Nutzung eines Gebäudes am Kynastweg. Als Zweigstelle der Sächsischen Erstaufnahmeeinrichtung in Chemnitz werden dort zur Zeit bis zu 160 Personen beherbergt, die nach der Erstaufnahme dann auf die sächsischen Landkreise und kreisfreien Städte verteilt werden.
Auch der Stadt Meißen werden Menschen zugewiesen, die für die Dauer der Asylverfahren in der Stadt untergebracht werden müssen. Unaufgeregt und mit ruhiger Hand haben wir in Meißen diese Aufgabe angenommen. Weitgehend unbemerkt leben mittlerweile fast 300 Personen aus mindestens 14 Nationen in unserer Stadt, mehrheitlich Familien mit Kindern. Letztere werden in Kita und Grundschule betreut und lernen schnell unsere Sprache. Wo man sich begegnet und kennenlernt, also den Menschen hinter dem Begriff „Ausländer“, entstehen Freundschaften. Doch das ist leider nur die eine Seite der Medaille:
Gerade im Internet werden Schauergeschichten über Straftaten von Ausländern vor allem an deutschen Frauen verbreitet. Darüber berichtete letzte Woche z.B. die SZ-Riesa: Eine frei erfundene Geschichte von einem Handtaschenraub durch Asylbewerber in Riesa wurde von 100.000 Facebook-Nutzern angesehen und über 1.300-mal geteilt.
Und wie sieht es in Meißen aus?
- Die Randale an der ARAL-Tankstelle stellte sich als zerschlagen einer Bierflasche heraus.
- Die Massenschlägerei zwischen Deutschen und Asylbewerbern vor dem Nachtcafé war ebenfalls frei erfunden.
- Diffus wird über 3 – 4 Vorfälle in diesem Jahr auf der Fußgängerbrücke über die Elbe debattiert. Hier sollen südländisch aussehende Personen Deutsche belästigt und angegriffen haben. Was konkret vorgefallen ist, weiß niemand. Wer der oder die Täter genau sein sollen, weiß auch niemand, denn mehr als „südländisch aussehend“ ist nicht zu erfahren.
Aber dennoch: Die Facebook-Gemeinde ist sich sicher, dass diese Typen nur Asylbewerber oder Flüchtlinge sein und selbstverständlich aus der Erstaufnahmeeinrichtung am Kynastweg kommen können. Beweise dafür braucht man nicht.
Nach dem erfundenen Vorfall am Nachtcafé gründete sich auf Facebook eine Initiative „Heimatschutz“. Was dort gepostet wird, ist teilweise menschenverachtend. Ich schäme mich dafür, dass Deutsche zu solchem Hass fähig sind.
Aber damit nicht genug. Die nebulösen Vorfälle auf der Fußgängerbrücke führten dazu, dass Facebook-Nutzer direkt aus der letzten Stadtratssitzung sogenannte „NoGOAreas“ in Meißen posteten. Gemeint sind damit rechtsfreie Räume, in die sich die Polizei nicht mehr hineintraut. Und das in Meißen!
Am vorletzten Samstag protestierte daraufhin die Initiative „Heimatschutz“ auf eben dieser Fußgängerbrücke und wenige Stunden später brennt ein Haus in der eng bebauten und bewohnten Rauhentalstraße.
Selbst dafür gibt es im Internet noch Beifall von unseren Landsleuten!
Das Feuer hätte auf bewohnte Nachbarhäuser übergreifen und Menschen in die Gefahr des Todes bringen können. Diese Tat ist kein Beitrag zur Asyldiskussion, sondern eine Straftat, für die das Strafgesetzbuch eine Haftstrafe von mindestens fünf Jahren vorsieht.
Gegen den Hausbesitzer des in Brand gesetzten Gebäudes werden Todesdrohungen ausgesprochen.
Was muss noch geschehen, damit zumindest diejenigen in den sozialen Medien zur Vernunft kommen, die über etwas Geist und Verstand verfügen? Wissen Sie eigentlich, was sie mit den absurden Hinweisen auf sogenannte NoGOAreas in Meißen anrichten können? Bemerken sie nicht die immer weitergehende Radikalisierung auf Facebook? Wollen Sie sich mitschuldig machen, an der weiteren Eskalation der Gewalt im realen Leben? Muss es erst Verletzte oder gar Tote geben?
Bekomme ich für diese offenen Worte auch eine Morddrohung?
Was kann getan werden, um diese verhängnisvolle Spirale zu durchbrechen?
Als Stadtrat können wir keine Weltpolitik betreiben. Wir können aber dazu beitragen, die anstehende Aufgabe der menschenwürdigen Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen rational und mit Verantwortung anzugehen. Und wir können an alle appellieren, sich zu mäßigen. Damit tragen wir entschieden zur Deeskalation bei.
Die Bürgergesellschaft ist dazu in der Lage, den Flüchtlingsstrom, der uns derzeit erreicht, zu bewältigen. In der zweiten Hälfte der 90´iger Jahre hat sie dies schon einmal bewiesen.
Stadtrat RA Wolfgang Tücks
Fraktion Unabhängige Liste Meißen/FDP
Stellungnahme durch Stadtrat Andreas Graff
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen Stadträte, liebe Kollegen Stadträte.
Ich möchte als Stadt- u. Kreisrat sowie als Mitglied der Initiative „Buntes Meißen“ zu der vom Stadtrat Tücks abgegebenen Erklärung noch Folgende hinzufügen.
Herr Tücks hat mit seiner Wortwahl den Kern getroffen, der sich aus unserer Verantwortung als Stadträte ergibt: Wir sind in großer Sorge um das politische Klima und den inneren Frieden in unserer Stadt. Seine aufgeführten Fakten entsprechen der Wahrheit.
Unter Anstrengungen von Stadträten, Verwaltung im Zusammen-wirken mit der SEEG, dem Bunten Meißen, Vereinen und der Diakonie ist es gelungen, fast 300 Flüchtlinge und Asylbewerber unterzubringen, das heißt, über 90% wurden dezentral untergebracht.
Unsere Willkommenskultur und die weitere Begleitung können sich sehen lassen. Das heißt auch, dass einiges noch besser gemacht werden kann. Aber da sind wir dran. Und dort, wo sofortige kritische Hinweise und Forderungen notwendig waren, sind wir verschie-denartig bei der zuständigen Fachdirektion bzw. auch beim Innenmi-nisterium vorstellig geworden.
Mir scheint, dass einigen Gegner der Demokratie und der friedlichen Völkerverständigung unseren wieder aufgebauten und weiter-entwickelten christlichen und humanistischen Werten zu wider-laufen. In der Geschichte unseres Landes wurden diese sehr oft geächtet und in Rassismus, ja bis zum Nazismus getrieben.
In unserer freiheitlich demokratischen Ordnung der Bundesrepublik sind die christlichen und humanistischen Werte mit rechts-staatlichen Gesetzen, die Würde des Menschen schützt funda-mentiert. Menschenrechte sind nicht teilbar. Menschen 1.2.3.4. Klassen gibt es nicht.
In Meißen ist den Gegnern der Menschenwürde wahrscheinlich vieles zu gut gelaufen, deshalb richten sie ihre Hetze mit Halbwahrheiten und Lügen gegen Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten. Gekonnt greifen sie berechtigte Sorgen und Fragen der Meißner auf und suchen Zugang bei den Meißnern und sie finden sie bei diesen, die wir ungenügend erreicht haben, bzw. die durch Berichter-stattungen der Medien aufgeschreckt wurden.
Genau das war die Diskussionsgrundlage mit der Vizepräsidentin des Bundestages Petra Pau und die MdB Susann Rüthrich und Monika Lazar im Haus für Viele(s), wo sich Stadtrat Rost in diesem Zusam-menhang äußerte. In der SZ wurde er so nicht richtig wiedergegeben.
In diesem Gespräch im Haus für Viele(s) mit ca. 20 Teilnehmern und Journalisten wurde auch deutlich ausgesprochen, dass man sich diesen antidemokratischen menschenfeindlichen Strömungen mit Kraft Polizei-des Gesetztes widersetzen muss.
All denen, die sich aufopferungsvoll mit Liebe und Zuneigung den Flüchtlingen und Asylsuchenden widmen, gilt unsere Hilfe und Unterstützung. Ihnen gilt unser herzlicher Dank. Wir sollten von hier aus fordern, dass der Unterstützung der Betreuung von Asylsuchende bei dezentralen Unterkünften auf mindesten 50 Flüchtlinge und Asylsuchende eine Betreuerin festzulegen ist.
Ich möchte zum Abschluss noch zu den Herrn Tücks genannten Erscheinungen sprechen, welche in der Stadt Meißen, zu Angst und Schrecken geführt haben.
Die Verbreitung von Wahrheiten, Lügen und Halbwahrheiten führen zu Angst und Schrecken unter allen Schichten der Bevölkerung. Mit verbrecherischen Brandanschlägen und Morddrohungen werden angstverbreitende Signale gegeben, die zu schockartigen Reaktionen nicht nur bei unseren älteren Einwohnern führen. Sie bremsen nicht nur die freie Meinungsäußerung, sie wird bzw. soll für eine bestimmte Zeit ausgeschalten werden.
Nicht nur ich bekam die Frage gestellt, kommt hier nach Meißen nun der Terror und der modifizierte NSU? Nein, er wird nicht kommen. Unser offener Zusammenhalt der Meißner, der Gewerbetreibenden, wird sich mutig solchen unmenschlichen Machenschaften mit Kraft unseres demokratischen und humanistischen Willens sowie der Gesetzeskraft entgegenstellen.
Unsere Solidarität gilt jenen, die Angriffen ausgesetzt waren und sind. Wir achten ihre mutigen Worte, die sie gegen die richten, die Ihr Eigentum schändeten und damit Menschen schänden. Ihr aufrechter Gang ist unser aufrechter Gang.
Meißen ist eine historische Stadt, in welcher Handel und Wandel, freundschaftliche Begegnungen mit Menschen aus aller Welt in unserer Stadt mit dem Meißner Gold- dem Meißner Porzellan, der Keramik, des Meißner Bier und natürlich unsere Albrechtsburg und Altstadt und den freundlichen empfangsfreudigen Menschen weltberühmt machte. Und so soll und wird es heute und auch in Zukunft bleiben. Das ist unser belegbarer Heimatschutz in Aktion.
Andreas Graff, Stadtrat DIE LINKE.Meißen
Stadtratssitzung am 8.Juli 2015